Sie schätzen die gute Unterhaltung mit anderen in Ihrer Stammkneipe? Dann werden Sie sich vorwiegend für Möbel interessieren? Nein? Sie haben vollkommen Recht: Tische und Stühle sind wichtig, aber sie sind nicht das, was ein gutes Gespräch ausmacht.

Genauso verhält sich das bei Social Media. Facebook, Twitter, Google+, plus, plus… sind wichtige Hilfsmittel um Social Media zu ermöglichen, ganz ähnlich den Möbeln in der Kneipe. Soziale Netzwerke stellen Tische in eine riesige Kneipe namens Internet, an denen sich Menschen austauschen können. Sie sind Plattformen, Medien eben, Vermittler.

Kneipenkommunikation wie eh und je

Das, was auf diesen Plattformen an Kommunikation stattfindet, ist der Austausch unter Menschen. Es passiert nichts anderes als auch schon vor 50 Jahren am Kneipentisch: Einer erzählt, was er gerade macht, zeigt Bilder herum, ein anderer erzählt von einem neuen Buch, ein Dritter schwärmt von seinem Auto und alle diskutieren darüber. Der einzige Unterschied zu früher ist: Neue Technologien haben den Kneipentisch vergrößert und in einen globalen, öffentlichen Raum gestellt. Alle können sich auf einmal mit allen unterhalten, ohne sich persönlich je gesehen zu haben.

Die Faktoren, die bei der Kommunikation an den Kneipentischen im Internet wirken, sind alte Bekannte: Es ist Fühlen, Spüren, es ist Empathie. Das Reflektieren dessen, was wir mitteilen, die Wahrnehmung von Reaktion. Der Abgleich zwischen dem, was wir mitteilen und dem, was wir darüber erreichen. Die ständige Feinjustierung, die laufende Kurskorrektur, Actio und Reactio.

Wir hören vor allem denjenigen zu, die etwas Interessantes zu erzählen haben. Wir freuen uns über Aufmerksamkeit und Reaktionen, wenn wir selbst reden. Wir werfen dem Nachplapperer einen abfälligen Blick zu und suchen die Nähe von Menschen, die uns weiterbringen. Wir schmunzeln und lachen gerne, wenn jemand ist, der unseren Humor trifft. Wir entziehen uns Leuten, die uns bedrängen, beleidigen oder langweilen. Oder gehen ins Wortgefecht. Jemand, der nur redet aber nicht zuhört, jemand, der nicht antwortet, wird irgendwann gemieden. So läuft das im Freundeskreis, am Kneipentisch und auch in Social Media.

 Das Unternehmensmarketing riecht da was

Lange stehen diese großen Tische noch nicht in der Kneipe namens Internet. Es ist erst ein paar Jahre her, dass aus dem ehemaligen Ausstellungsraum eine Kneipe wurde und aus dem kleinen Kreis der ersten Gäste ist rasend schnell ein Großteil der Bevölkerung geworden. Natürlich hat es nicht lange gedauert, bis auch Unternehmen den Braten rochen und sich mit an die Tische setzten:

Da, wo jetzt so viele Leute versammelt sind, wo alle zuhören und jeder mit jedem spricht, da sollten wir doch prima unsere Produkte anpreisen können!

Das ging aber kräftig in die Hose, denn laute Angeber nerven in der Kneipe und die großen Werbetafeln gehören an die Wände und nicht auf den Tisch. Hier versperren sie die Sicht zwischen den Leuten und verstoßen gegen den Aushang: „Stammtisch – kein Ladentisch!

So hat es ein bisschen gedauert und manch großes Unternehmen mußte einiges an Lehrgeld bezahlen. Viele bekamen erstmal einiges an aufgestautem Ärger ab, als sie sich an den Tisch setzten und auf einmal in der Runde direkt ansprechbar waren. Sie schauten wie begossene Pudel und vergaßen ganz schnell, weswegen sie eigentlich gekommen waren. Andere waren überrascht von so viel Zuspruch und merkten, dass sie gemeinsam mit den Menschen am Tisch noch viel mehr erreichen können.

So haben heute schon einige Unternehmen verstanden, wie auch sie vom Austausch in sozialen Netzwerken sehr profitieren können. Sie preisen nicht als Firma ihre Produkte an, sondern setzen sich als die Menschen dahinter an die großen, runden Tische. Sie liefern Informationen, die andere weiter bringen, helfen, erzählen etwas Interessantes, binden in ihren Arbeitsalltag ein, sind transparent, vielleicht sogar witzig. Den anderen Leuten gefällt das und schon interessieren sie sich auch für deren Produkte und Dienstleistungen. Sie sind zufrieden und reden darüber, empfehlen sie weiter. Natürlich passiert das nur dann, wenn die Produkte und Dienstleistungen auch wirklich gut sind und die Kommunikation authentisch.

Es heißt also für Unternehmen, in die Niederungen des Stammtisches herabzusteigen und als Menschen für die Kunden und die, die es werden könnten, wirklich da zu sein. Denn in dieser Form des Austausches am Kneipentisch haben Blender langfristig keine Chance mehr. Der Dialog findet zudem öffentlich statt, da lügt keiner zweimal. Wer sich mit psychologischen Aspekten der Kommunikation auseinandersetzt, weiss, Menschen lassen sich auf Dauer nichts vormachen kann.  Man kann nicht damit durchkommen, unecht zu kommunizieren und man kann nicht nicht kommunizieren (P. Watzlawick). Nur mit Authentizität ist ein Vertrauensverhältnis aufbaubar. Das gilt für das persönliche Umfeld genauso wie für das Social Web.

Aus der Kür- wird eine Pflichtveranstaltung

Inzwischen sitzen an den großen, runden Tischen immer mehr Leute, und es wird über fast alles gesprochen. Man freut und ärgert sich über Alltagserlebnisse, Beobachtungen und zunehmend auch über Produkte und Dienstleistungen. Und wenn einer fehlt, verhält es sich auch da wieder wie am Kneipentisch:

„Wo ist er denn eigentlich?“. „Von dem hört man ja schlimme Sachen.“. „Ja, ich hab da letztens auch Merkwürdiges beobachtet.“. „Ich bin echt sauer auf den!“. „Der hat wohl keine Lust auf uns, hat vermutlich was Besseres vor!“ .

Sie ahnen, worauf ich hinaus will?

Es ist für Unternehmen nicht mehr weiter nur eine vorteilhafte Option, im Social Web präsent zu sein, nein, es wird von Kunden erwartet:

„Da muß doch einer von denen mit am Tisch sitzen, irgendwer muß doch hier mit mir reden?!“

Ja, es geht soweit, dass eine Verweigerung des direkten, öffentlichen Dialogs vermutet wird, wenn eine Firma keine Kanäle im Social Web betreibt („man kann nicht nicht kommunizieren!“, siehe oben). Es werden nur genau zwei Möglichkeiten in Betracht gezogen: Entweder das Unternehmen ist so wenig in der Gegenwart, dass es Social Media verschläft, oder es will sich dem Dialog nicht stellen. Noch verheerender ist dann nur noch, wenn eine Firma zwar im Social Web präsent ist, aber nicht angemessen auf die für alle sichtbaren „Kommunikationsangebote“ von Kunden reagiert.

Tu Gutes und rede darüber!

Ganz gleich, ob es darum geht, Kundenzufriedenheit aufzugreifen, zu multiplizieren und Bindungen wachsen zu lassen, oder darum, enttäuschte Kunden an die Hand zu nehmen, noch bevor sich Kritik zu einer Empörungswelle (neudeutsch: „Shitstorm“) hochschaukelt: Unternehmen, die Gutes tun, tun gut daran, im Social Web Flagge zu zeigen. Und Unternehmen, die Schlechtes tun? Die kriechen besser unter den großen Kneipentisch und pinkeln den Leuten weiter heimlich an die Beine.

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