Facebook Freunde RehbinderWill der mich für blöd verkaufen? Keine fünf Stunden nach Bestätigung der Freundschaftsanfrage eines Unbekannten trudeln gleich mehrere Einladungen zum Liken von Facebook-Seiten ein. Wäre ich nicht so genervt, könnte ich mich freuen. Denn eigentlich ist das ein Hilferuf nach Beratung in Sachen Facebook-Marketing.

Wenn man mit jemandem auf Facebook verbunden ist, nennt man das „Freundschaft“. So ist es von der Plattform vorgegeben und manchmal würde man das sogar selbst so bezeichnen. In vielen Fällen aber, sei es, weil man eher kollegial verbunden ist oder einfach Interesse am Austausch mit der anderen Person hat, beugt man sich der Vorgabe. Man akzeptiert die Bezeichnung, weil es eben den Status „Kollege“, „Bekannter“ oder „kenn ich nicht, sieht aber interessant aus“ nicht gibt. So haben manche sehr viele „Freunde“, oft bis zu ein paar tausend, von denen sie aber nur wenige Prozent überhaupt kennen, geschweige denn schon persönlich getroffen haben. Andere handhaben es stringenter und haben klare Kriterien, wen sie in die Liste ihrer Freunde aufnehmen. Ich selbst bin in dieser Hinsicht auch relativ locker und bestätige erstmal Freundschaftsanfragen, die mir irgendwie plausibel erscheinen. Diejenige Person wird schon wissen, warum sie mit mir verbunden sein will. Löschen kann ich das ja jederzeit wieder, sollten sich unangenehme Situationen ergeben. So weit so gut.

Freundesammler

facebook search friendsNun kommen wir aber zu einer besonders auffälligen Gruppe, den „Freundesammlern“: Menschen, die scheinbar wahllos Anfragen verschicken, mit dem einzigen Ziel, möglichst viele Freunde in ihrer Liste zu haben. Dass sie an der Person selbst und deren Statusmeldungen gar nicht interessiert sind und es nach der Bestätigung nie zum Austausch kommt, verdeutlicht dies (was sie aber oft nicht daran hindert, sofort nach Bestätigung auf der Pinnwand des neuen Freundes durch einen schmucken Dankeseintrag auf sich aufmerksam zu machen – in ganz schlimmen Fällen mit einer sichtbar vorgefertigten Komposition aus Spruch und Zierbild). So sammeln sie sich durch die Facebook-Gegend. Immer gut sind dabei Opfer, die ganz offensichtlich schon mehr Freunde haben, als sie wirklich kennen können. Denn die scheinen ja selten Anfragen abzulehnen und so bestehen hohe Erfolgsaussichten, selbst auch angenommen zu werden.

Narzisstische Freundesammler

Wozu ist das Ganze gut? Ganz einfach:

  1. Eine dicke Freundesliste sieht nach grosser Beliebtheit aus.
  2. Jede eigene Statusmeldung erreicht viele Leute, wird also – zumindest theoretisch – von vielen gelesen.

Zwei Gründe für das private Freundesammeln, ein Hintergrund: Narzissmus, die Suche nach externer Bestätigung des eigenen Wertes. Wer viele Freunde hat, kann ja nur ein attraktiver Mensch mit grossem Einfluss sein. Dasselbe gilt für alles, was die Person von sich gibt. Erreicht jede Meldung viele Leute, dann gibt das der Mitteilung einen Geschmack von Wichtigkeit und dem Schreiber ein Gefühl von Wert. Bei 1000 Lesern wird außerdem eher ein „Gefällt mir!“ oder gar ein Kommentar rausspringen als bei 20. Und schon ist der Wert des Schreibers, an dem er tief in sich selbst zweifelt, wieder scheinbar von außen bestätigt. Das gilt übrigens selbst dann, wenn er nur eine fremde Meldung, ein Bild oder einen Link teilt. Denn auch hier hat er ja Geschmack bei der Auswahl bewiesen und der wird durch die Zustimmung per Like oder Kommentar untermauert.

Geschäftliche Freundesammler

Neben den narzisstischen Freundesammlern gibt es noch eine weitere, besonders unangenehme Kategorie, die „geschäftlichen Freundesammler“. Das sind Personen, deren Freundschaftsanfragen nur einen einzigen Zweck haben: Werbung, meist über eine Facebook-Seite. Das typische Szenario aus Sicht des Eingeladenen:

  1. Freundschaftsanfrage
  2. keinerlei Interaktion
  3. innerhalb kürzester Zeit Einladung zum Liken einer Facebook-Seite

like-request Besonders absurd wird das, wenn umgehend die Aufforderung zum Liken gleich mehrerer Seiten kommt, zumeist auch noch ohne jeden inhaltlichen Zusammenhang zu meinen Interessen. Interessen, die der neue „Freund“ ja ohnehin nicht kennen kann, hat er sich doch offensichtlich gar nicht mit meiner Person auseinandergesetzt. Natürlich wird trotzdem ein gewisser Prozentsatz der auf diese Weise gewonnenen Kontakte das Kalkül nicht durchschauen oder den neuen Freund nicht verprellen wollen und nach der Bestätigung der Freundschaftsanfrage auch noch brav die vorgeschlagene Seite(n) liken.

Ein Schuss, der nach hinten losgeht

Aber was bringt’s? Nichts! Denn dieses Verhalten ist der Prototyp des falsch verstandenen Facebook-Marketings und deutlich kontraproduktiv. Jeder halbwegs intelligente Mensch durchschaut das Kalkül, fühlt sich benutzt und für dumm verkauft. Er ist schon genervt, bevor er sich die vorgeschlagene Seite überhaupt ansieht. Dazu kommt, was der Einladende übersieht: Ein Like einer Seite ohne jedes Interesse oder wenigstens inhaltlichen Zusammenhang wird sowieso keinerlei positiven Effekt nach sich ziehen. Außer einem sehr fragwürdigen: Hat eine Seite viele Likes, wirkt sie auf manchen Neuankömmling „wichtig“. Fake it ‚till you make it ;)

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