Vorweg: Ich schätze die Produkte von Canon und bezeichne mich als zufriedenen Kunden. Die Firma kommt hier ins Spiel, weil sich meine Interaktion mit Canon Deutschland auf deren Facebook Page als gutes Beispiel für die Analyse einer Social Media Kommunikation anbietet.

Sachlicher Hintergrund: Absturz der EOS Software

Nach dem Update meines MacBook auf OSX 10.8, Mountain Lion, stürzt die Steuerungs-Software „EOS Utility“ beim Anschliessen meiner Kamera EOS 7D ab. Das ist für mich, der ich beruflich fotografiere, ein Drama. Nicht, weil ich die Bilder und Videos nicht mehr auf den Rechner übertragen kann, das lässt sich ja über die Speicherkarte machen, sondern weil ich die EOS Utility benutze, um über Live View direkt mit dem über USB verbundenen MacBook aufzunehmen. Das ist ein gängiges Setup, genannt „Tethering“.

Nun ist  OSX 10.8 schon seit zwei Monaten freigegeben, trotzdem gibt es noch keine EOS Utility, die unter dem aktuellen Apple-Betriebssystem läuft.

Twitter und Social Media Monitoring

Ich setzte diesbezüglich einen Tweet ab:

Seit Ende Juli ist #MountainLion freigegeben und #Canon hat bis heute keine lauffähige #EOS-Utility dafür? Für mich ist das ein Drama!

Schon hier hätte es von Canon bei zeitgemäßem Social Media Monitoring eine Reaktion geben können. Eine zu hohe Erwartung? Ich denke nicht.

Facebook Page

Daraufhin adressierte ich mein Anliegen an Canon Deutschland über deren Facebook-Page. Die Reaktion will ich im Hinblick auf die Wirkung der Kommunikation in Sozialen Netzwerken im Detail beleuchten.

Zunächst mal: Die Reaktion von Canon erfolgte innerhalb einer Stunde, das ist respektabel. Vor allem vor dem Hintergrund, dass deren Chronik durchaus von Spam betroffen ist. Warum dies so geduldet wird, ist eine andere Frage. Löschen von Chronik-Einträgen ist heikel und kann zu Empörungswellen beitragen. Wenn der Spam-Charakter aber so eindeutig ist wie hier, wo Photographen zig Bilder mit Verweis auf ihre Facebook-Seite posten, würde ich dazu raten.

Nun zur Kommunikation im Detail

Auf den ersten Blick ist die Antwort angemessen freundlich: Persönliche Anrede, positiver Ton, Grußformel. Sofort fallen dann aber inhaltliche Schwächen auf:

… wir haben leider nicht die Möglichkeit im selben Moment der Verfügbarkeit diverser Software-Aktualisierungen Dritter auch unsere Produkte anzupassen.

Schon der erste Satz holt mich nicht bei meinem Problem ab, drückt nicht Verständnis für meine Lage aus (ich schrieb: „behindert mich bei der Arbeit“!), sondern ist eine Generalentschuldigung. Es handelt sich dabei ganz offensichtlich um einen Textbaustein, der sofort als solcher zu erkennen ist.

… diverser Software-Aktualisierungen Dritter…„: Eindruck: Canon hält OSX als Betriebssystem nicht für wichtig. Dabei handelt es sich ja hier nicht um irgendeine Software-Aktualisierung „Dritter“ sondern immerhin das aktuelle Betriebssystem der Apple Kunden, die vor allem im professionellen Medienbereich eine schwerwiegende Domäne bilden.

… im selben Moment der Verfügbarkeit…„: Auch diese Phrase soll die Selbstentschuldigung von Canon stützen, bewirkt aber das Gegenteil. Tatsächlich ist es ja so, dass Mountain Lion bereits seit vollen zwei Monaten auf dem Markt ist. Darüber hinaus bietet Apple ausgewählten Entwicklungspartnern Vorab-Versionen der Betriebssysteme zum Zwecke der Portierung an. Canon stellt sich hier also so dar, als wäre man in diesen Prozeß nicht involviert und stattdessen überrascht von neuen Versionen. Das wirft ein verheerendes Licht auf die Entwicklungsabteilung oder aber verstärkt den Eindruck der fehlenden Wertschätzung von Apple Usern, was eine nicht minder fatale Außenwirkung hat.

… es wird versucht und ist natürlich Ziel…„: Das ist eine typische Formulierung, wie sie in schlechten Arbeitszeugnissen verwendet wird, um ungenügende Leistungen auszudrücken („hat sich bemüht…“). Sie impliziert sofort die Frage, ob denn die Versuche nicht ausreichen und warum das wohl so ist. Das Wort „natürlich“ soll in diesem Zusammenhang ein Selbstverständnis stützen, klingt aber im Kontext aufgesetzt und nicht authentisch.

…haben wir jedoch kein konkretes Datum wann die Verfügbarkeit gegeben ist.„: Mal abgesehen vom holprigen Charakter des Satzteils demaskiert der Bearbeiter spätestens hier seine inhaltliche Unkenntnis. Denn tatsächlich hat Canon auf internationaler Ebene längst zugesichert, dass das Update Anfang Oktober zur Verfügung stehen wird, wie auf der USA-Seite nachzulesen. Auch wenn dort kein konkretes Datum genannt wird, so ist die Information „Anfang Oktober“ wesentlich geeigneter, mich als Kunden positiv zu stimmen. Bei „kein Datum“ muss ich davon ausgehen, dass es noch nicht einmal eine Planung gibt.

Wir werden es selbstverständlich sofort bekannt geben, wenn uns die Information vorliegt.„: Dieser Satz ist grundsätzlich ok, auch wenn er sofort die Frage nach dem „WO DENN?“ auslöst. Individuell ernst genommen hätte ich mich gefühlt, wäre mir angeboten worden, mich persönlich zu informieren, da ich persönlich ja mit diesem Anliegen an Canon herangetreten bin.

Danke und Gruß vom Canon Team„: An sich eine nette Floskel, passend und freundlich. Trotzdem wundere ich mich sofort, wofür man sich bedankt: Für meine Frage, die ja offensichtlich nahezu abwegig ist? Für meine Ungeduld? Für mein Verständnis, das ich nicht habe? Da mir der Anlass für einen Dank nicht ersichtlich ist, habe den Eindruck, ich soll beschwichtigt werden. Das kann in manchen Fällen zielführend sein, gerne aber auch genau das Gegenteil provozieren. Das Gefühl „abgefertigt und beschwichtigt“ zu werden, stößt bei unzufriedenen Kunden oft sauer auf und führt zu Aggressionen, die gerade in sozialen Netzwerken gefährlich sind.

Dass mir ein „Canon Team“ antwortet, obwohl diese Mitteilung doch vermutlich ein einzelner Mensch geschrieben hat, ist angesichts der Adressierung an mich als „Oliver“ unpassend. Hier wird nicht auf Augenhöhe gegangen, hier spricht ein Team mit mir, nicht aber ein Mensch. Aus dieser Anonymität herauszutreten und sich als Schreiber mit einem Namen zu melden, hätte mir ein wesentlich besseres Gefühl gegeben.

Fazit

Unternehmen wie Canon wären gut beraten, die Kommunikation in sozialen Netzwerken professioneller zu gestalten. Es ist nicht egal, wer da wann und wie antwortet. Reaktionszeit und Freundlichkeit sind entscheidende Faktoren, können aber nur dann tragfähig sein, wenn sie durch fundierte und spezifische Kommunikationskenntnis und inhaltliche Expertise unterlegt sind. Dazu kommt die enorme Wichtigkeit des Gespräches auf Augenhöhe: Wer in sozialen Netzwerken nicht aus der Anonymität einer Firma oder eines Teams heraustritt, verfehlt die Chance eines Persönlichkeitsbonus und provoziert hierarchische Reaktionsmuster.

Anhang

Die nachfolgenden Reaktionen auf der Facebook Page von Canon Deutschland bestätigen im Wesentlichen das Geschriebene und setzen sogar noch Einiges drauf. Aber, auch wenn es mich in den Fingern juckt, ich will sie nicht kommentieren. Zur Kenntnis:

Nachtrag vom 11.10.2012:

Am 10.10.2012 teilt ein User netterweise auf der Facebook-Seite von Canon Deutschland mit, dass das Update der Canon-Utilities jetzt für Mountain Lion verfügbar ist. Die Social Media Experten von Canon Deutschland haben das Update übrigens bisher nicht auf Facebook gemeldet. Aber es handelt sich bei dem Herausgeber dieser für alle Länder lokalisierten Software ja auch um Canon USA, damit haben die schliesslich nichts zu tun…

Und ja: Da hat sich die „community“ im „Zuge des www“ wieder sehr gut selber geholfen.

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