Was auch immer man von Klout halten mag, der Score gewinnt bei vielen „Bewertern„, allem voran in der Social Media Szene eine zunehmend signifikante Bedeutung. Er sagt vor allem etwas über Quantität aus: die Menge der Einzeläußerungen einer Person im Social Web und die Resonanz dazu. Qualität ist dabei nicht relevant. Entscheidend ist lediglich, welche Anzahl von Verbindungen, Posts, Kommentaren, Likes etc. die Person oder deren Inhalte zu generieren vermag.

In den USA spielt der Klout-Score schon eine recht wichtige Rolle, insbesondere bei der Beurteilung von Job-Bewerbern. Darüber hinaus hört man von Vorteilen für High-Score-Klouties, wie z.B. bei Flug- und Hotelbuchungen oder Gutscheinvergaben (Klout Perks). Hierzulande schickt man sich an, dem nachzueifern. Aber auch jetzt schon ist es in Deutschland durchaus Praxis, die Relevanz eines „Influencers“ bei Social Media Konzeption und -Monitoring über den Klout Score zu identifizieren. Sei es, um ihn als Multiplikator zu gewinnen oder um bei einer drohenden Empörungswelle („Shitstorm„) angemessen zu reagieren.

Justin Bieber und das iPhone

Mich interessiert in diesem Zusammenhang nicht so sehr die Frage, wer welches Ranking hat. Mich interessiert, welche Mechanismen dazu führen, dass wir es uns so einfach machen. Wider besseres Wissen, denn:

  • Wir sehen ja, dass Klout nur die Social Media Plattformen des internationalen Mainstream berücksichtigt und nicht z.B. Blogs, Foren oder deutschsprachige Netzwerke wie Xing.
  • Wir durchschauen sehr wohl, warum jemand wie Justin Bieber fast ganz an der Spitze liegt (auch wenn Klout jetzt einige Änderungen am Algorithmus ausrollt, die das vermutlich geringfügig ändern werden).
  • Wir kennen genügend Benutzerkollegen, die regelmäßig Debatten wie „iPhone vs. Samsung“ ins Social Web werfen und damit eine unendliche „Religionsdiskussion“ provozieren. Natürlich werden sie von Klout dafür belohnt.
  • Wir nehmen stirnrunzelnd zur Kenntnis, dass so manchen auch das Weiterverteilen von abgelutschten Witzchen oder das Vervielfältigen von Fremdleistungen die Klout Charts stürmen lässt (vom Wiederkäuen der Ergebnisse neuer Social Media Studien will ich erst gar nicht anfangen).

Trotz alledem akzeptieren wir den Klout Score irgendwie und denken „boah, das ist eine einflussreiche Person!„. Wir halten sie für qualifiziert oder bedeutend. Wofür auch immer. Oder, schwerwiegender, wir halten uns selbst für bedeutend, gehen möglicherweise sogar mit unserem Klout Score öffentlich hausieren, ohne dessen Entstehung im Geringsten zu hinterfragen.

Schublade Nr. 67?

Der Erfolg von Klout und die Akzeptanz des Score ist schlicht ein Abbild des generellen Wunsches nach Bewertungsvereinfachung, der proportional zur Informationsflut wächst. Gerade in so komplexen Umgebungen wie dem Social Web ist die Einschätzung eines Players schwierig, weil sie mit Verständnis und inhaltlicher Auseinandersetzung verbunden ist. Vor soviel Aufwand scheuen wir uns oder haben gar nicht die notwendige Fachkenntnis. Deshalb ist so eine Maßzahl wie der Klout Score, aus der sich ein einfacher Vergleich bzw. ein Ranking leicht ableiten lässt, höchst willkommen.

Der Mensch sucht nach Vereinfachung, weil er mit Differenzierung überfordert ist. Im einfachsten Fall ist das ein Daumen, der entweder nach oben oder nach unten zeigt. Klout aggregiert das alles immerhin zu einem Wert zwischen 0 und 100.

Vorläufiges Fazit

Das, was da mit Klout passiert, ist nicht richtig oder falsch, nicht gut oder schlecht. Es ist eine Entwicklung, an der wir teilnehmen, ob wir wollen oder nicht. Es steckt mehr als der Wirbel um ein Tool dahinter, es handelt sich um eine soziale, eine gesellschaftliche Entwicklung. Aber: Ganz entscheidend im Hinblick auf unsere eigene Autonomie ist, sich den Hintergründen und Mechanismen dieser Entwicklung stets bewusst zu sein.

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