Bildgeschichte Herrentour

Die heutige Momentaufnahme zeigt den Blick vom Schönberggipfel in den Sonnenuntergang. Tief unten im Tal fließt die Isar. Im Vordergrund steht ein Zelt.

002-2015-06-03 12.25.44Als wir bei der traditionellen Vater-Sohn-Abenteuertour, genannt „Herrentour“ vor zwei Jahren südlich von Lenggries an der Isar biwakierten, waren Nachmittags immer wieder Kanus vorbeigefahren. Ich zeigte meinem Sohn den nahegelegenen Schönberggipfel, der noch in der Sonne leuchtete und schon schmiedeten wir einen kühnen Plan für die nächste Unternehmung.

003-2015-06-03 12.26.13Gesagt, nicht gleich getan, aber dieses Jahr war es soweit. Irgendwann muss ein Vater sein Versprechen einlösen, auch wenn er inzwischen erkannt hat, dass er damals reichlich vorlaut war. So ließen wir uns am Mittwoch Vormittag von Julia an eine vorher per Satellitenbild recherchierte Stelle am wilden Isarufer in der Nähe von Fleck bei Lenggries bringen. Dort versteckten wir den grossen Bootssack sowie Schwimmwesten und zusätzlichen Proviant im dichten Unterholz.

20 Kilo – einmal auf dem Rücken und einmal nebenan

012-2015-06-03 15.54.28Nach Verabschiedung von Mama und Zivilisation waren wir „Herren“ jetzt ganz auf uns allein gestellt. Wir schulterten unsere Rucksäcke und machten uns auf den langen Weg zum Schönberggipfel. Der zu Hause noch mit „naja – geht schon irgendwie“ probeweise geschulterte Rucksack mit Zelt, Daunenschlafsack, Klamotten, Proviant und 3 Litern Wasser erwies sich nach den ersten paar Hundert Metern bereits als sehr belastend für mein Gestell. Dabei hatte ich schon auf eine richtige Kamera verzichtet und noch nicht einmal die spiegellose Fuji mitgenommen… Den Sohn beeindruckte mein Jammern aber nicht sonderlich: „Hey Papa, wir sind gerade erst losgegangen!?“ So legten wir nach einer und nach zwei Stunden jeweils eine Rast ein, in der der eine auf der Isomatte versuchte zu neuen Kräften zu kommen, während der andere fröhlich herumspringend Erkundungen und Experimente anstellte.

023-2015-06-03 17.03.58Der Schönberg und die Nacht auf dem Balkon

Schließlich erreichten wir gegen 17 Uhr den einsamen Schönberggipfel auf 1621m Höhe und  schlugen unser Lager kurz unterhalb des Gipfelkreuzes auf. Ich kannte den Schönberg von früher als netten Grasgipfel, konnte mich aber nicht mehr daran erinnern, dass dort zeitweise weidende Kühe den Boden durch Tritte zu einer Art Mondlandschaft machen. Westlich des Kreuzes gibt es im steilen „Gras“ eine kleine, halbwegs gerade Rampe aus hügeliger Erde, die offensichtlich von Gleitschirmfliegern zum Absprung benutzt wird. Auf diesen Schönberg GipfelAussichtsbalkon hatte sich der Sohn als Lagerplatz versteift und konnte sich letztlich gegen meinen Vorschlag durchsetzen, etwas weiter unten und besser geschützt vor Wind und Wetter zu kampieren. Letztlich hatte er das bessere Bauchgefühl, denn mit dem Abend ließ der Wind nach und auch die dunklen Wolken lösten sich auf.

Bei einer grandiosen Abendstimmung, wie man ihn nur auf einem Berggipfel erleben kann, entstand das obige Foto, unsere Momentaufnahme. Wir verbrachten wir eine ruhige Nacht 032-2015-06-03 19.33.29auf dem Gipfel, in der der Sohn schlief wie ein Stein, auf dessen Artgenossen ich ganz offensichtlich lag. So musste ich ihn dann um kurz vor fünf Uhr auch wecken, denn wir hatten ja noch Großes vor an diesem neuen Tag.

Vom Hohen durchs Feuchte ins Nasse

Nach Zeltabbau schulterten wir unsere Rucksäcke und marschierten wieder los. Ich wäre nicht ich, hätte ich nicht eine grandiose Idee gehabt, wie der Gipfelabstieg vermeintlich abzukürzen war. Wir kamen in ziemlich wildes, waldiges Steilgelände, so dass ich das Kind lieber ans Seil nahm. Gut eine Stunde später waren wir wieder auf dem Aufstiegsweg, nicht ohne dass ich im weichen Sumpfboden beide Schuhe verloren und wieder ausgegraben hätte.

053-2015-06-04 07.49.09Endlich Frühstücksrast und Klamottenwechsel, dann stiegen wir zügig weiter ab und trafen erst auf dem letzten Kilometer die ersten Frühaufsteher auf dem Weg zur Lenggrieser Hütte. Nach dem langen Marsch zum Isarufer hieß es jetzt, unser Versteck wieder zu finden. Während der Vater erstmal ausruhen musste, begann der Sohn schon mit dem Aufpumpen. Schnell waren Rucksäcke und Co. in die Bootstasche gepackt und wir stachen in die Isar.

060-2015-06-04 08.59.26Ich bin zwar erfahren in den Bergen, mit Wildwasser kenne ich mich aber weniger aus. So waren wir anfangs doch etwas nervös, ob denn das neue Schlauchboot mit uns und dem schweren Gepäck der jungen Isar gewachsen ist. Über die Recherche im Web kannten wir ja immerhin die entscheidenden Stellen im Flussverlauf, die erste Wildwasserstelle in der Praxis blieb aber ein gewisser Nervenkitzel.

Letztlich ließ sich das Wasser immer besser meistern, der Navigator vorne im Boot erkannte die neuralgischen Stellen von weitem und ich lernte die Paddel besser einzusetzen. Trotz einiger deftiger Spritzer sehr kalten Wassers lief alles gut und machte richtig Spaß. Bis zum Schild, das uns unvorbereitet traf, weil davon nichts in unserer Flusstourenbeschreibung stand: „200m, Umgehung links!“.

063-2015-06-04 10.07.00Was ich nicht weiß, macht mich nicht nass?

Die Stelle kam immer näher, wir waren schlicht ratlos. Gleichzeitig sahen wir eine grosse Gruppe Menschen mit uniformen Neoprenanzügen, Helmen und Schwimmwesten an einem Felsen links der Isar stehen, in den Fluss schauen und gestikulieren. Alles, was wir am Flussverlauf erkennen konnten, war eine größere „Stufe“ und lautes Wasserrauschen. In unserer Flusskarte war die Stelle aber nicht erwähnt, also dachte ich: kann nicht so schlimm sein.

Schließlich waren wir da und sahen kurz vorher noch, dass es über einen grossen Felsen gewaltig nach unten ging. Und schon spülte es uns runter, zweistufig. Erster Schreck, dann waren wir quer auf dem Absatz, es überspülte uns vollständig und ich hab mich schon aufs Kentern vorbereitet. Wie durch ein Wunder kamen wir nass aber stabil unten an. 067-2015-06-04 11.29.54Wir legten gleich links an einer Kiesbank an, leerten erstmal das Wasser aus dem Boot und zogen uns trockene Sachen an. Zurückblickend sahen wir, dass es sich bei den Leuten  um eine Rafting-Gruppe handelte, die gerade nach (!) dieser Steilstufe einbootete. Eben las ich im Deutschen Flusswanderbuch, dass wir den

Katarakt Isarburg, Felsbarriere WW III+, li, evtl. li (für Geübte, Helm!)

noch dazu bei niedrigem Pegelstand passiert hatten. Da haben wir aber ziemlich viel Anfängerglück gehabt…

Nach diesem Erlebnis waren wir jetzt regelrecht abgebrüht und freuten uns im weiteren Verlauf über jede Wildwasserpassage. Gleichzeitig mussten wir aber feststellen, dass wir uns gehörig verschätzt hatten, was die Reisegeschwindigkeit betrifft. Wir hatten ja geplant bis nach Hause, also Pullach, zu fahren. Allerdings war es schon 12 Uhr, als wir die große Brücke von Bad Tölz durchfuhren. Dass die Flusstour im Führer aus drei vollen Tagesetappen besteht, war also doch ernstgemeint.

Alles Gute kommt von unten

070-2015-06-04 14.04.18Das endlose Durchpaddeln des Tölzer Stausees ging nochmal an die Reserven, dann kommt ein Wehr, das umtragen werden muss und hier baten wir Julia per Telefon, uns gegen 17 Uhr in Wolfratshausen abzuholen. Diese zweite Etappe von Bad Tölz nach Wolfratshausen war wirklich gigantisch! Was für eine Landschaft, was für interessante Strömungspassagen, viel Wildwasser, knifflige Manöver, immer wieder Herausforderung. Ursprüngliche Naturschutzgebiete wechselten sich mit mehr oder weniger bevölkerten Kiesbänken ab. Kurz nach der herausfordernden Einmündung des Loisachkanals kam dann tatsächlich bald die Brücke von Wolfratshausen, an der wir nach fast 8 Stunden auf der Isar erschöpft aber erfüllt auswasserten.

065-2015-06-04 10.07.50

Wenn der Vater mit dem Sohne einmal aufsteht

Etwas schade, dass wir es nicht ganz bis nach Hause geschafft haben. Beim anschließenden Biergartenbesuch haben wir Julia natürlich ausführlich von den zwei vollen Tagen berichtet und auch gleich angekündigt, dass wir die „läppische Zahmwasseretappe“ von Wolfratshausen nach Pullach bald noch nachholen werden.

Den Schönberg besteigen, am Gipfel biwakieren und am nächsten Tag auf der Isar mit dem Schlauchboot nach Hause fahren – ein großartiges Vater-Sohn-Erlebnis, das ich gerne weiterempfehle. Was wir aber beim nächsten Mal anders machen würden (lessons learned):

  • Bergtour: Trotz des höheren Gewichts sind knöchelhohe, feste Bergschuhe ratsam. Der Boden ist gerade im überwachsenen Gipfelbereich (Kuhtritte) tückisch, da knickt man schnell mal um.
  • Flusstour: Nicht auf Erlebnisberichte oder Tourentipps im Web verlassen, sondern den Flussverlauf und die Stationen vorher detailliert studieren! Das Deutsche Flußwanderbuch samt Berichtigungen ist eine gute Quelle. Außerdem ist es notwendig, den aktuellen Pegelstand Lenggries abzufragen. Abhängig vom Pegel sind bestimmte Passagen unbefahrbar oder zu gefährlich (Fleck, Katarakt).

Anmerkung 1: Wildes Kampieren ist in ganz Deutschland selbstverständlich untersagt, ganz besonders in Naturschutzgebieten.
Anmerkung 2: Alle Fotos wurden mit einem OnePlus One Smartphone gemacht. Die beste Kamera ist immer die, die man dabei hat ;)